Neues aus der Forschung

Achtung: Hoch-Sen-si-tivi-tät

Neues aus der Forschung
© Sebastian Kaulitzki Fotolia.com

von Conny Dollbaum-Paulsen
(letzte Überarbeitung: 14. August 2015)

Hochsensitiv? Hypersensitiv?? Hypersensibel???
Ist das eine neue Krankheit oder eher eine neue Beschreibung für den Zustand einer "Prinzessin auf der Erbse"?

Alke Bauer ist nicht nur Stimmtherapeutin, Theaterpädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie - sie ist auch, aus eigenem Erleben, Fachfrau für "HSP - Hochsensitive Persönlichkeiten" und deshalb in jeder Hinsicht die passende Gesprächspartnerin für Fragen zu diesem Thema.

CD: Wen oder was kann ich mir unter HSP denn nun genau vorstellen?
Alke Bauer: Es handelt sich um Menschen, besser: Lebewesen ( im Tierreich gibt es sie auch), deren Sinnesorgane und Nervensystem sozusagen dauerhaft auf Hochtouren arbeiten.
Alle äußeren Reize werden stärker wahrgenommen: Licht, Geräusche, Temperaturschwankungen und auch die Verarbeitung von Zugeführtem, also Lebensmitteln, Medikamenten etc. findet auf einem intensiveren Niveau statt.
Die Frage nach Gründen und genauen Mechanismen sind in der noch jungen HSP-Forschung noch nicht vollständig beantwortet - aber es wird seit den 90iger Jahren intensiv daran geforscht, z.B. von Dr. Elaine N. Aron. Für die ForscherInnen scheint unstrittig zu sein: HSPs bilden geschätzt 15-20% einer Population und sind deshalb bei weitem keine Randgruppe.

In jedem Fall können HSPs im wahrsten Sinne des Wortes Flöhe husten hören - schlicht weil ihre Sinnesorgane so fein sind...

CD: Ist HSP eine Krankheit, eine Störung? Behandlungsbedürftig?
Alke Bauer: Krankheit oder Störung: auf keinen Fall!
HSP ist meiner Auffassung absolut keine Krankheit, möglicherweise eine Disposition, auf jeden Fall ein Persönlichkeitsmerkmal, mit dem Menschen vermutlich geboren werden. Ihre Sinne und das Nervensystem sind hochempfindlich, die Reizaufnahme ist intensiver - und die Verarbeitung ebenfalls. 

Behandlungsbedürftig? Nur dann, wenn es nicht gelingt, die Lebensumstände radikal, also von der Wurzel her, der eigenen Empfindsamkeit anzupassen.
Aus der Entwicklungsgeschichte lässt sich vermuten, dass es auch bei den Frühmenschen immer schon Gruppenmitglieder gab, die den Bären schon auf 20 Kilometer Entfernung riechen, hören und fühlen konnten - so waren die Jäger informiert, die ohne die Fähigkeit der HSPs den Bären vielleicht niemals gefunden hätten.
 

CD: Hmmhhh, heute gibt es aber keine Bären mehr...
Alke Bauer: Genau, sondern eine Fülle von dominant optischen und akustischen Reizen, deren Verarbeitung schon "normal-gepolten" Menschen nicht leicht fällt - HSPs sind damit allerdings in der Regel überfordert und können deshalb Erkrankungen als Folge entwickeln. Das müsste gar nicht sein, wenn sie um ihre Empfindsamkeit wüssten, diese - und das ist sehr wichtig- nicht als Makel, sondern als eine Eigenschaft wie "blaue Augen" empfinden könnten.

CD: Heißt das: Es würde helfen zu wissen, eine HSP-Persönlichkeit zu sein und nicht einfach nur damit zu leben, von allen als "Mimöschen" belächelt zu werden?
Alke Bauer: In jedem Fall - denn HSP ist eine Quelle von Vitalität und Lebensfreude, wenn die Bedingungen stimmen und die Menschen ermutigt werden, sehr genau herauszufinden, was sie brauchen, um nicht nur gut durch den Tag zu kommen, sondern ein angemessenes und dem eigenen Potenzial entsprechendes Leben zu führen.
Das beginnt bei so kleinen Dingen wie regelmäßigem Essen und Trinken, ausreichendem Schlaf und einem den eigenen Verarbeitungsfähigkeiten entsprechendem Alltag. Lärm und schlechte Luft am Arbeitsplatz ist für keinen Menschen gut, aber mit überempfindlichen Sinnen macht ein solcher Arbeitsplatz unter Umständen wirklich krank.

CD: Verstehe ich das richtig: Es geht auch, salopp gesagt, um eine Art Rehabilitation der Mimosen - darum, das Bewusstsein für das Merkmal "Hochsensitivität" zu schärfen?
Alke Bauer: Ja, es ist ungemein hilfreich, die große Empfindsamkeit nicht als Makel sondern als Geschenk zu erleben - und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Als Hellhäutige lege ich mich auch nicht ohne Schutz in die Mittagssonne, weil ich weiß, dass es meiner Haut nicht gut tut.
HSPs sind mit einem reichen Innenleben ausgestattet und häufig sehr kreativ - allerdings können sie gerade deshalb Mühe haben, in einer auf Produktivität und Effizienz ausgerichteten Gesellschaft einen Platz zu finden und nicht zu scheitern, weil sie den Anforderungen nicht gewachsen sind.

Vielen Dank für das interessante und hochsensible Gespräch - die Autorin weiß nun sicher : Auch sie gehört zu den HSPs dieser Welt.

Für alle, die sich unmittelbar angesprochen fühlen und wissen wollen, ob sie evtl. zu den HS-Persönlichkeiten gehören gibt es Infos im Internet unter: www.zartbesaitet.net (inkl. HSP-Test) oder der deutsche Informations- und Forschungsverbund Hochsensibilität e.V. (IFHS) www.hochsensibel.org?

Mehr zu Alke Bauer und HSP in Bielefeld
www.alke-bauer.de

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